freie Lektorin und Autorin
Auf dieser Seite erwarten Sie unscharfe Orte und Impulse …
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Auf der Seite Beugung und Interferenz haben wir gesehen, dass Wellen an Hindernissen gebeugt, also aus ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkt werden. Erklärt wurde das mit den vielen Elementarwellen auf einer Wellenfront. Deren Überlagerung ergab durch den Einfluss des Hindernisses nicht mehr die ursprüngliche Wellenfront, sondern eine gekrümmte Wellenfront.
Das gilt für alle Wellen, also auch für Lichtwellen. Nun spricht man beim Licht aber auch oft von Photonen, also von Teilchen. Tatsächlich ist Licht beides – Welle und Teilchen, denn Photonen sind quantenmechanische Objekte. Man nennt diese Eigenschaft, sowohl Welle als auch Teilchen zu sein, Welle-Teilchen-Dualismus. Im Prinzip betrifft dies alle Objekte – nur sind bei makroskopischen Objekten, die Wellenlängen so klein, dass man deren Welleneigenschaften vernachlässigen kann und beispielsweise einen Schrank oder einen Kieselstein als reines Teilchen betrachten kann.
Nun stellt sich aber die Frage – wenn Photonen auch Teilchen sind, wie erklärt man die Beugung im Teilchenbild?
Die von Werner Heisenberg gefundene Unschärferelation oder Unbestimmtheitsrelation besagt, dass bestimmte Paare von Eigenschaften, wie beispielsweise Ort und Impuls, eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau gemessen werden können. Je genauer man das eine misst, desto ungenauer wird die Messung des anderen. Wird der Ort exakt gemessen, also ohne jede Ungenauigkeit, kann man über den Impuls überhaupt keine Aussage mehr treffen. Umgekehrt gilt dasselbe. Das ist keine Folge von unausgereifter Messtechnik oder der Schusseligkeit des wissenschaftlichen Personals, sondern eine prinzipielle Eigenschaft der Natur.
Nun können wir aber im täglichen Leben sehr wohl zugleich Ort und Geschwindigkeit beispielsweise des geworfenen Kieselsteins feststellen. Sein Impuls ist proportional zu seiner Geschwindigkeit, eine genaue Ortsmessung schließt daher nach der Quantentheorie eine genaue Geschwindigkeitsmessung aus. Wieso geht es denn dann trotzdem?
Zwar gilt die Unschärferelation immer, man sieht ihre Auswirkungen jedoch nur im Bereich der Atome und noch kleineren Teilchen. Bestimmt man beispielsweise den Ort eines Elektrons auf 10–10 m genau, ist die Geschwindigkeit nur noch mit einer Ungenauigkeit von 600 000 m/s messbar. Würde man dagegen bei einem Kieselstein die Position auf 10–10 m genau bestimmen (10–10 m ist die Größenordnung des Durchmessers von Atomen!), würde die Ungenauigkeit der Geschwindigkeitsmessung nur etwa 10–25 m/s betragen. Daher sehen wir die Auswirkungen des Welle-Teilchen-Dualismus im täglichen Leben nicht und können dem Kieselstein rechtzeitig ausweichen.
Nun gilt die Unschärferelation zwischen Ort und Impuls nur, wenn beide Größen in derselben Raumrichtung gemessen werden. Zur Unschärfe des Ortes in x-Richtung gehört auch die Unschärfe des Impulses in x-Richtung.
Lassen wir also nun ein Photon durch einen Spalt fliegen. Die Spaltbreite soll in x-Richtung ausgerichtet sein. Das Photon fliegt senkrecht hindurch, also in y-Richtung. Es hat also zunächst nur eine Impulskomponente in y-Richtung, der Impuls (und damit die Geschwindigkeit) in x-Richtung ist null. Damit hat der Impuls in x-Richtung einen exakten Wert.
Ein Spalt grenzt jedoch den Ort des hindurchgehenden Teilchens ein. Macht man den Spalt noch enger, wird der Ort noch stärker eingegrenzt. Auf diese Weise kann man die Ortsunschärfe des Teilchens durch engere Spalte im Prinzip beliebig klein machen – und zwar die Ortsunschärfe parallel zur Spaltbreite, also in x-Richtung. Das bedeutet, dass von einem Teilchen, das durch einen sehr engen Spalt fliegt, die Position in x-Richtung sehr genau bekannt ist. Sein Impuls und damit seine Geschwindigkeit in x-Richtung ist dann aber nur sehr ungenau bekannt (man weiß nicht, ob die Geschwindigkeit des Photons keine x-Komponente oder vielleicht doch eine hat). Damit ist aber auch nur ungenau bekannt, in welche Richtung das Photon hinter dem Spalt fliegt. Die Flugrichtung ergibt sich ja durch die Addition der Geschwindigkeits-(oder Impuls-)komponenten in x- und y-Richtung. Ist eine der Komponenten unbestimmt, wird auch die Summe ungenau.
Es lässt sich also nicht sagen, in welcher Richtung das Photon hinter dem Spalt fliegt – nur dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit im Hauptmaximum auf den Schirm trifft. Fallen also viele Photonen durch den Spalt, werden sich ihre Auftreff-Orte auf dem Schirm im Laufe der Zeit zum bekannten Beugungsbild mit dem intensiven Hauptmaximum addieren.
Je enger der Spalt ist, desto genauer ist die Ortsinformation und desto ungenauer ist die Impulsinformation in x-Richtung. Das bedeutet, dass die Verteilung der auftreffenden Photonen auf dem Schirm und damit das Hauptmaximum umso breiter wird, je enger der Spalt ist; das heißt, die Minima wandern weiter nach außen – ein Ergebnis, das wir ja auch im Wellenbild gesehen hatten – siehe Intensitäten, die Abbildung zum Einfluss von „Spaltbreite und Spaltabstand“ sehen Sie aber hier noch einmal:
© Wiebke Salzmann, August 2013