Heiligenschein auf betauter Wiese

Auf dieser Seite erwartet Sie ein Heiligenschein für Frühaufsteher

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Ein Heiligenschein auf dem Roggenfeld

Die Leuchterscheinung

Blickt man bei tief stehender Sonne auf eine betaute Wiese, kann man manchmal eine deutliche Aufhellung rund um seinen Schattenkopf sehen. Möchte man tief stehende Sonne und Tau gleichzeitig haben, bedeutet das in der Regel, früh aufstehen …

Abb. 1 ¦ Die Leuchterscheinung   Foto vom Heiligenschein
Jeder sieht übrigens seinen eigenen Heiligenschein – man sieht die Aufhellung immer nur um den eigenen Kopf, bzw. um die eigene Kamera (die ich hier mehr oder weniger vor dem Kopf halte).

Die Ursachen

Zum einen blickt man quasi seinem Schatten ins Gesicht, was bedeutet, die Sonne steht genau hinter einem. Damit sieht man in dieselbe Richtung, in die auch die Sonnenstrahlen fallen. Man sieht also vor sich nur beleuchtete Oberflächen. In einem schrägeren Winkel zur Seite fallen einem mehr und mehr auch unbeleuchtete Flächen ins Auge, wie z. B. die Unterseiten der Halme. Damit erscheint die Wiese in größerer Entfernung vom Schatten des Kopfes dunkler, als in seiner unmittelbaren Nähe. Man nennt das den Oppositionseffekt.

Zum anderen spielt der Tau eine wichtige Rolle – letztlich sogar die wichtigere. Ohne Tautropfen sieht man die Aufhellung nur schwach. Tautropfen auf den Halmen wirken wie Sammellinsen. Da das Sonnenlicht aus großer Entfernung einfällt, sind die Strahlen fast parallel zueinander. Parallel einfallende Strahlen werden von Sammellinsen in den Brennpunkt gebrochen – siehe Strahlenoptik. Liegt der Brennpunkt nun mehr oder weniger auf der Blattoberfläche, an der der Tropfen haftet, werden die Strahlen dort reflektiert. Aus Brennpunktstrahlen werden durch Brechung in der Sammellinse aber wieder Parallelstrahlen. Damit läuft ein Großteil des reflektierten Lichtes in die Richtung zurück, aus der es gekommen ist, nämlich zurück zur Lichtquelle – man nennt das Retroreflexion.

Abb. 2 ¦ Retroreflexion   Grafik zur Retroreflexion
Oben: Licht fällt von der Sonne annähernd parallel ein (gelbe Linien) und wird vom Tautropfen in dessen Brennpunkt gebündelt. Liegt dort eine Blattoberfläche, werden die gebündelten Strahlen reflektiert (rote Linien) und überwiegend in die Ausgangsrichtung zurückgelenkt.
Damit der Effekt auftreten kann, muss die Blattoberfläche eine gewisse Rauigkeit aufweisen – beispielsweise Härchen halten den Tropfen im richtigen Abstand, damit der Brennpunkt passend zu liegen kommt.
Die Darstellung ist stark idealisiert, die Strahlen treffen in Wirklichkeit nicht alle genau im Brennpunkt auf.

Einfluss des Abstands

Zum Glück geht nur ein Großteil des Lichtes tatsächlich in die um 180° gedrehte Richtung, denn sehen tun wir nur die Strahlen, die aus dieser Richtung abweichen. Das liegt einfach daran, dass auf der direkten Linie zwischen Lichtquelle und Tautropfen unser Kopf im Weg ist. Auf direktem Wege durch den Kopf kann kein Licht auf die Tropfen fallen, weshalb wir nur Reflexionen des Lichtes sehen können, das direkt neben dem Kopf einfällt. Und von dessen Reflexionen eben nur das Licht, welches ein bisschen schräg in unsere Augen reflektiert wird.

Abb. 3 ¦ In die Augen reflektiertes Licht   Grafik zum Einfluss des Abstands
Der Kopf des Beobachters schirmt die direkt von hinter ihm kommenden Strahlen ab (die hellgraue Strahlen sind also eigentlich gar nicht da). Retroreflektiertes Licht direkt von vorn kann man daher nicht wahrnehmen, weil es gar nicht entsteht. Man sieht die von etwas weiter außen liegenden Tropfen reflektierten Strahlen, die von der 180°-Richtung abweichen. Je weiter weg man von den reflektierenden Tautropfen ist, desto geringer kann der Abweichungswinkel sein, aus dem man noch Licht empfängt.

Die Intensität des reflektierten Lichtes nimmt mit zunehmender Abweichung aus der 180°-Richtung rasch ab. Je größer die eigene Entfernung vom Tautropfen ist, desto eher fällt einem Licht ins Auge, das nur wenig von der 180°-Richtung abweicht. Der dunkelrote Strahl geht beispielsweise unterhalb des hellen Kopfes vorbei, während der dunkle Kopf in größerer Entfernung von ihm getroffen wird. Der dunkle Kopf hat also eine größere Chance, einen Heiligenschein wahrzunehmen. Deshalb sieht man die Erscheinung auch besser bei tiefstehender Sonne, denn dann sind die Schatten lang und die Entfernung zwischen echtem und Schattenkopf am größten.

© Wiebke Salzmann, Juni 2021

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