freie Lektorin und Autorin
Auf dieser Seite erwartet Sie Sand, der zu Felsen und wieder zu Sand wird …
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Es gibt nicht „den“ Kalkstein – zwar besteht er überwiegend aus Kristallisationsformen von Calciumcarbonat (CaCO3), enthält aber auch andere Minerale. Mergel ist beispielsweise ein Kalkstein mit einem sehr hohen Anteil an Tonmineralen, Dolomit(gestein) enthält einen sehr hohen Anteil an Dolomit(mineral) (CaMg(CO3)2); neben stark verfestigtem Kalkstein gehört geologisch auch die weiche Kreide zu den Kalksteinen.
Zwar kann Kalkstein auch auf andere Weise entstehen, aber die meisten Kalkgesteine sind biogenen Ursprungs, also von Lebewesen gebildet. Kalkschalen und -gehäuse abgestorbener Meeresbewohner sinken auf den Meeresgrund, lagern sich dort ab und bilden Sediment. Dort bildet sich zunächst Kalkschlamm. Üben die oberen Schichten einen genügend hohen Druck aus, verfestigen sich die unteren Sedimentschichten, das Wasser wird aus ihnen herausgepresst. In Wasser gelöste Minerale gelangen in die Poren des Sediments und fällen dort aus. Dadurch werden die Poren des lockeren Sediments verfüllt und das Sediment verkittet. („Ausfällen“ ist das Gegenteil von „sich auflösen“.) Ein fester Kalkstein ist entstanden.
Solche Kalkschlämme bilden sich nur bis zu einer bestimmten Wassertiefe, wird der Wasserdruck zu hoch, löst sich das Calciumcarbonat vollständig im Meerwasser.
Die kalksteinbildenden Lebewesen können Mikroorganismen sein, aber auch größere Lebewesen. In dem Fall kann der Kalkstein zum großen Teil aus Fossilien bestehen, die mit bloßem Auge sichtbar sind – wie Korallenkalke, Brachiopodenkalk und andere.
In küstennahen, flachen Meeresregionen kann Kalkgestein auch aus festsitzenden Meereslebewesen wie Korallen entstehen, die aus ihren Kalkskeletten im Laufe von Jahrhunderten Riffe aufbauen. Man spricht dann von Riffkalken, bei sehr ausgedehnten Riffkalken auch von Massenkalk.
Heutige Korallenriffe werden heute überwiegend von Steinkorallen gebildet, in früheren Zeitaltern gab es andere Riffbildner. Im Silur und Devon hatten Stromatoporen diese Rolle übernommen (sie werden heute meist den Schwämmen zugeordnet). Das rheinische Schiefergebirge hat seine Existenz diesen Stromatoporen zu verdanken: Im Devon gab es hier ein Flachmeer (bis 100 m Tiefe), in dem sich Stromatoporenriffe bildeten. Der Dolomitfelsen bei Gerolstein in der Eifel, aber auch der „Lahnmarmor“ zeugen davon. Die Anführungsstriche deshalb, weil der Lahnmarmor im geowissenschaftlichen Sinne kein Marmor ist. Er wird in der Industrie so bezeichnet, weil er ein sehr dichtes, polierfähiges Gestein ist. (Marmor im geowissenschaftlichen Sinne ist ein Gestein, das entsteht, wenn karbonatreiches Gestein im Erdinneren durch Hitze und Druck umgewandelt wird. Nur ein Beispiel dafür, dass dieselben Fachausdrücke in verschiedenen Fachrichtungen unterschiedliche Bedeutungen haben können …) In den Nördlichen Kalkalpen bestehen etliche Berge, wie beispielsweise der Hohe Dachstein aus Korallenkalk, es handelt sich also um fossile Korallenriffe.
Kalkgestein wird schnell durch Wasser verwittert, weil Carbonat sich sehr leicht in Wasser löst. So entstehen vielfältige Geländeformen, die als Karst bezeichnet werden – den Prozess der Verwitterung nennt man Verkarstung. Dringt Wasser durch Klüfte in das Kalkgestein ein, löst es auch im Inneren den Kalk, Höhlen bilden sich. Durch die Verwitterung (Verkarstung) erweitern sich bestehende Risse und bilden sich neue. Auf die Oberfläche des Kalksteins treffendes Wasser versickert daher sofort in einer der Klüfte, weshalb Karst oben sehr trocken ist. In den unterirdischen Gängen und Höhlen bilden sich dann Bäche und Flüsse (es ist einigermaßen überraschend, wenn man nichts ahnend über eine knochentrockene Felslandschaft wandert und plötzlich unter sich das Wasser rauschen hört … Zu sehen war nichts, die sichtbaren Spalten waren zu klein.)
Nicht alle Kalksteine verkarsten gleich gut – weiche Kalksteine wie Mergel oder Kreide verkarsten nicht, zu harte Kalksteine wie Dolomit verkarsten nur sehr langsam. Zudem muss es genügend hohe Niederschläge geben.
Zu den Formen, die das Wasser aus dem Kalkstein herausfräst, gehören Karren. Das sind Rillen oder Rinnen, die im Millimeter- bis Dezimeterbereich liegen, aber auch bis Meterbreite erreichen können. Diese Rinnen werden als Abflussrinnen in geneigtem Fels geformt und können unterschiedlich geformt sein, wonach sich dann auch unterschiedliche Bezeichnungen ergeben.
Dolinen sind trichter- oder schüsselförmige Senken in Karstgebieten. Echte Dolinen entstehen, wenn das Gestein an der Oberfläche gelöst und ausgespült wird (Lösungsdoline oder Trichterdoline). Mitunter ist am tiefsten Punkt das Schluckloch zu sehen. Hier entschwindet das Wasser in den Untergrund.
Wenn unterirdisch eine Höhle so weit vom Wasser ausgehöhlt wird, dass die Decke schließlich einstürzt und einen Einsturztrichter bildet (Einsturzdoline), handelt es sich streng genommen um einen Erdfall.
Wenn Wasser, das an der Oberfläche von Kalkstein versickert, irgendwo anders wieder an die Oberfläche tritt, bildet es eine Karstquelle. Karstquellen sind daher häufig das Ende eines Höhlensystems. Wie viel Wasser sie führen, kann sehr stark vom Niederschlag abhängen, manche fallen in niederschlagsarmen Zeiten ganz trocken. Auch bei Schneeschmelze steigt die Wassermenge stark an. Karstquellen können die Form eines Kessels oder Trichter haben (und werden dann auch als Quelltopf bezeichnet) oder einfach ein Loch in der Felswand darstellen.
Carbonat löst sich sehr gut in Wasser, was zur Folge hat, dass Kalkstein sehr anfällig gegen chemische Verwitterung ist. Durch anfangs kleine Risse kann (Regen)Wasser eindringen und die Bestandteile des Kalksteins (Carbonate) auflösen, die Risse werden größer und schließlich entstehen Höhlen.
Was genau geschieht chemisch bei der Lösung von Kalk? Das Regenwasser nimmt aus der Luft Kohlendioxid auf. Aus Wasser und Kohlendioxid bildet sich Kohlensäure. Diese reagiert mit Calciumcarbonat zu Calciumhydrogencarbonat, das sich sehr gut in Wasser löst.
Während das Wasser durch den Kalkstein rinnt, löst es auf die Weise so lange Carbonat auf, bis es gesättigt mit Carbonat ist – also kein weiteres Calciumcarbonat aufnehmen kann. Trifft das in Rissen oder Klüften rinnende Wasser nun auf einen Hohlraum, kommt es also mit Luft in Berührung, verlässt Kohlendioxid das Wasser – weil die Kohlendioxidkonzentration in der Luft viel geringer ist als im Wasser. Rinnt das Wasser nur langsam an einer Höhlendecke entlang, bildet es aufgrund der Oberflächenspannung Tropfen. Diese haben zur Umgebunsluft eine große Oberfläche, was die Abgabe von Kohlendioxid erleichtert. Nun stimmt aber im Wasser das Verhältnis nicht mehr und auch Calciumcarbonat muss abgegeben werden – Kalk fällt aus und bildet neuen Kalkstein. Diesen neu entstandenen Kalkstein nennt man Sinter. Im Laufe der Zeit bilden sich so an der Höhlendecke Zapfen (Stalaktiten) oder andere Strukturen. Fällt der Tropfen schließlich herunter, zerplatzt er beim Auftreffen auf den Boden. Die Oberfläche zur Umgebungsluft vergrößert sich nochmals, wiederum tritt Kohlendioxid aus und in der Folge fällt auch am Boden Kalk aus, ein Stalagmit entsteht.
Wie schnell das vor sich geht, hängt von der Temperatur, der Wassermenge, dem Kalk- und dem Kohlendioxidgehalt des Wassers ab, die Wachstumsgeschwindigkeit liegt größenordnungsmäßig bei 0,1 mm pro Jahr.
© Wiebke Salzmann, Dezember 2013