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Allmännerschlucht

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InhaltsverzeichnisZum Seiteninhalt

www.wissenstexte.de > Physik-Wissen > Erde und Atmosphäre > Geodynamik

Geodynamik

Aufbau der Erdkugel

Der Aufbau der Erde gleicht einer Schalenstruktur. Zu Beginn der Erdentstehung, als die Erde noch bis in große Tiefen geschmolzen war, sanken die schwereren Bestandteile ins Innere, während die leichteren sich oben sammelten.
Der „feste Boden“ unter unseren Füßen wird von der Erdkruste gebildet, wobei man zwischen ozeanischer und kontinentaler Kruste unterscheidet. Die ozeanische Kruste ist nur 5–10 km dick und erreicht nur ein Alter von etwa 200 Mio. Jahren, bevor sie in Subduktionsprozessen wieder im Erdmantel verschwindet. Sie besteht aus Basalt, kontinentale Kruste aus Granit. Ozeanische Kruste ist deshalb schwerer. Die kontinentale Kruste ist unter Dehnungszonen (Gräben) 20–25 km mächtig, erreicht unter Hochgebirgen (diese sind ja Stauchungszonen, an denen die Kruste zusammengeschoben und gefaltet wird) wie dem Himalaja aber bis zu 80 km Dicke. Das Alter der kontinentalen Kruste beträgt bis zu 3,8 Mrd. Jahre, da sie wegen ihrer geringeren Dichte nicht so leicht subduziert wird.
Kontinentale Kruste entsteht heute nur noch in geringem Umfang an Vulkanen. Dagegen wird sie während der Plattenwanderung ständig verändert, zerrissen oder zusammengeschoben.
Unter der Kruste befindet sich der Erdmantel, dessen obere 100–150 km noch fest und spröde sind. Diesen Bereich fasst man deshalb mit der Kruste zur so genannten Lithosphäre zusammen. Die Lithosphäre ist keine zusammenhängende Schale, sondern setzt sich aus einer ganzen Anzahl einzelner Platten zusammen. Der unter der Lithosphäre liegende Teil des Mantels ist verformbar. Diese Schicht wird Asthenosphäre genannt und reicht bis in 250–400 km Tiefe. Man erklärt die Weichheit dieser Schicht damit, dass wegen der hohen Temperaturen das Gestein teilweise geschmolzen ist. (Die Hitze im Mantel wird durch den Zerfall radioaktiver Elemente, wie Uran, Thorium und einem Kalium-Isotop, erzeugt.) Die tieferen Mantelschichten sind zwar fest, trotzdem ist das Mantelgestein unter lang anhaltendem Druck plastisch verformbar. Deshalb kann die Erwärmung an der Grenze zum Erdkern die Konvektionsströme im Mantel hervorrufen.
Dieser feste und doch formbare Materialzustand entsteht aufgrund der hohen Temperatur im Erdinnern, bei der unter Normaldruck die Gesteine aufschmelzen würden, und des hohen Druckes, der ein echtes Aufschmelzen verhindert.
Der gesamte Erdmantel reicht in eine Tiefe von 2900 km.
Unter dem Erdmantel schließt sich der Erdkern an – der flüssige äußere Kern bis in 5100 km, der feste dann bis in 6371 km Tiefe, dem Mittelpunkt der Erdkugel. Im flüssigen äußeren Kern fließen ebenfalls Konvektionsströme, die auch für die Entstehung des Erdmagnetfeldes verantwortlich sind. Das flüssige Material des äußeren Erdkerns verfestigt sich an der Grenze zum inneren Erdkern. Bei der Erstarrung wird Wärme frei. Diese Wärme setzt im äußeren Kern eine Konvektionsströmung in Gang.

Abb. 1 ¦ Aufbau der Erde  
BildunterschriftErdaufbau und Konvektionsströme Bildunterschrift Ende

Plattentektonik

Die Erdkruste besteht aus mehreren Stücken, den so genannten Platten. Die Konvektionsströme im Erdmantel (s.u.) bewirken, dass diese Kontinentalplatten ständig in Bewegung sind (mit einigen Zentimetern pro Jahr), da das strömende Mantelmaterial auch die Krustenplatten in Bewegung setzt. Deshalb hat sich die Gestalt der Erdoberfläche im Laufe ihrer Geschichte immer verändert und tut dies auch heute noch. Kontinente zerfallen, lagern sich zusammen, neue Ozeane entstehen, alte verschwinden. (siehe Erdzeitalter)

Das Wissen über den Erdaufbau hat man (u. a.) durch die Untersuchung von Erdbebenwellen erlangt. Erdbebenwellen laufen vom Bebenherd aus durch den ganzen Erdkörper. Wie schnell sie das tun, hängt von der chemischen Zusammensetzung des Materials und seinem physikalischen Zustand ab (wie Dichte und Festigkeit). An Grenzflächen zwischen verschiedenen Materialien werden Erdbebenwellen analog zu Lichtwellen gebrochen und reflektiert. Zeichnet man nun die von einem Bebenherd ausgehenden Wellen (d. h. ihre Ankunftszeiten) an verschiedenen Orten auf, kann man ein Bild der Wege, die die Wellen im Erdinnern zurückgelegt haben, ableiten und so die Grenzen zwischen einzelnen „Schalen“ der Erdkugel ermitteln, unterstützt durch Laborexperimente, die Werte für Wellengeschwindigkeiten in Gesteinsproben liefern. Denn zunächst liefern die Aufzeichnungen der Erdbebenwellen nur die Wellenlaufzeit. Im nächsten Schritt muss man über das von den Wellen durchlaufene Gestein Annahmen machen und diese dann im Labor überprüfen. So kann man die Wege, die Erdbebenwellen nehmen, ableiten und so Rückschlüsse auf den Erdaufbau ziehen.

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Gräben und Rücken

Die Konvektionsströme im Erdmantel haben Auswirkungen bis an die Erdoberfläche. Sie können Kontinente teilen, indem sie Gräben aufreißen; neue Ozeane bilden, indem Mantelmaterial in den Gräben ausfließt und frische ozeanische Kruste bildet.

Steigt mit einem Plume heißes Material auf, kann dadurch die Kruste gedehnt und so verdünnt werden (Abb. 2). (Umgekehrt kann die Kruste auch zunächst gedehnt und verdünnt werden und an dieser Schwachstelle dann Magma empordringen.) Die geschwächte und verdünnte Kruste bricht ein, Krustenblöcke sacken ab und bilden einen Graben (b). Das aufsteigende und zur Seite strömende Material dehnt die Kruste weiter, wobei weitere Krustenblöcke absacken können (c), bis die Kruste aufreißt (d). Das aufsteigende Magma schmilzt unter der Druckentlastung und kann durch die Risse an die Oberfläche dringen und neue ozeanische Kruste bilden (e). Die aus kontinentaler Kruste bestehenden steilen Grabenränder entfernen sich weiter von dem Riss, während hier immer neue ozeanische Kruste angelagert wird. Mit zunehmender Abkühlung der neuen Kruste wird diese schwerer und senkt sich ab (f). Sinkt die neue Kruste unter den Meeresspiegel, kann Ozeanwasser einfließen und ein neuer Ozean entsteht, der sich – ausgehend von dem ozeanischen Rücken – dann immer weiter zu beiden Seiten des Rückens ausdehnt. Je weiter vom Rücken entfernt der Meeresboden ist und desto älter er demzufolge ist, desto tiefer liegt er deshalb. Am Riss steigt weiterhin Magma nach oben – hier wölbt sich ein Gebirge, ein mittelozeanischer Rücken, von einem Grabenbruch durchzogen, in dem Magma austritt und neuen Ozeanboden bildet.
Solche Gräben gibt es nicht nur unter den Ozeanen, auch kontinentale Kruste kann gedehnt werden, reißen und einen Graben bilden. Ein bekanntes Beispiel ist der Ostafrikanische Graben, in ihn wird vermutlich in 10 bis 20 Mio. Jahren Ozeanwasser einfließen, frischer Ozeanboden wird sich bilden und Afrika in eine östliche und eine westliche Landmasse teilen.
Mittelozeanische Rücken durchziehen die bereits bestehenden Ozeane der Erde. Der Vulkanismus Islands hat seine Ursache darin, dass Island genau auf dem mittelatlantischen Rücken liegt.

Abb. 2a ¦ Grabenbildung  
BildunterschriftGrabenbruch und Ozeanbildung Steigt heißes Mantelmaterial auf, kann dadurch die Kruste gedehnt und so verdünnt werden (a). Die geschwächte und verdünnte Kruste bricht ein, Krustenblöcke sachen ab und bilden einen Graben (b). Das aufsteigende und zur Seite strömende Material dehnt die Kruste weiter, wobei weitere Krustenblöcke absacken können (c), bis die Kruste aufreißt (d). Das aufsteigende Magma schmilzt unter der Druckentlastung und kann durch die Risse an die Oberfläche dringen und neue ozeanische Kruste bilden (e). Die aus kontinentaler Kruste bestehenden steilen Grabenränder entfernen sich weiter von dem Riss, während hier immer neue ozeanische Kruste angelagert wird. Mit zunehmender Abkühlung der neuen Kruste wird diese schwerer und senkt sich ab (f). Am Riss steigt weiterhin Magma nach oben – hier wölbt sich ein Gebirge, ein mittelozeanischer Rücken, von einem Grabenbruch durchzogen, in dem Magma austritt und neuen Ozeanboden bildet. Bildunterschrift Ende
Abb. 2b ¦ Almannagjá (Island)  
BildunterschriftÞingvellir, der alte isländische Versammlungsplatz, liegt mitten in der Grabenbruchzone des mittelatlantischen Rückens. Entsprechend unruhig ist die Erde hier, es gibt häufig Erdbeben. Dass hier Amerika und Europa auseinanderdriften, sieht man an den Felsspalten, von denen die Almannagjá (Allmännerschlucht) die beeindruckendste ist. Bildunterschrift Ende

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Subduktion und Gebirgsbildung

Wenn in den ozeanischen Rücken neue Kruste entsteht, muss an anderer Stelle Kruste abgebaut werden – dies geschieht in den so genannten Subduktionszonen. An Subduktionszonen bewegen sich zwei Platten aufeinander zu – die schwere ozeanische Kruste taucht unter die leichtere kontinentale Kruste ab (sie wird subduziert), wird teilweise aufgeschmolzen und geht allmählich im Mantelmaterial auf. In knapp 700 km Tiefe (der unteren Grenze des oberen Mantels) ist sie nicht mehr als Krustenmaterial vom umgebenden Mantel zu unterscheiden. Dabei wird gleichzeitig die kontinentale Kruste angehoben und gestaucht. Dieses Stauchen oder Falten führt zur Entstehung von Faltengebirgen, wie der Anden oder der Rocky Mountains. Der „Knick“ vor dem unmittelbaren Abtauchen der Platte bildet einen Tiefseegraben, den man zur besseren Unterscheidung von den Grabenbrüchen besser als Tiefseerinne bezeichnet.
Ist die ozeanische Kruste irgendwann vollständig subduziert, prallen nun die mitgeschleppten Kontinente aufeinander – auch hier schiebt sich einer über den anderen, was zu einer außergewöhnlichen Dicke der kontinentalen Kruste führen kann, wie beispielsweise unter dem Himalaja. (Hier stoßen Indien und die Eurasische Platte zusammen. Das nordwärts wandernde Indien faltet den Himalaja auf; der Hebung wirkt allerdings inzwischen die Erosion entgegen.) Die Alpen entstanden bei dem (noch immer andauernden) Zusammenstoß der afrikanischen mit der eurasischen Platte.
Nach dem Zerbrechen von Pangäa (einem riesigen Kontinent, der durch das Zusammenlagern sämtlicher Kontinente entstanden war) entstand zunächst ein Ozean (Thetys), der Afrika von Eurasien trennte. Es bildeten sich Sedimente durch das Ablagern von Schalen und Skeletten toter Meerestiere. Mit der Öffnung des Atlantiks wurde Afrika von Pangäa abgetrennt und drehte sich nordwärts, dem heutigen Europa entgegen. Thetys schloss sich dadurch allmählich, der Ozeanboden wurde „verschluckt“ und die darüberliegenden kalkhaltigen Sedimente zu den heutigen Kalkalpen aufgefaltet. Die Zentralalpen bestehen dagegen aus Ozeanboden, der, als er unter die afrikanische Platte geriet, durch Druck und Hitze in andere Gesteinsformen umgewandelt wurde und dann wieder emporgehoben wurde und anschließend ebenfalls aufgefaltet wurde.
An Subduktionszonen gibt es verbreitet Vulkanismus.

Abb. 3 ¦ Subduktion und Gebirgsbildung  
Bildunterschrift Aufsteigendes Mantelmaterial wölbt die Kruste auf – es bildet sich ein Rücken. Die dabei auftretende Dehnung und das Aufschmelzen der Kruste durch das heiße Mantelmaterial schwächen die Kruste, sie reißt und es bildet sich ein Spalt, durch den das Magma an die Erdoberfläche gelangt. Das Magma lagert sich an den Spalträndern an, kühlt ab, verfestigt sich und bildet neue Kruste. Je älter und kälter die neue Kruste wird, desto mehr zieht sie sich zusammen, wird schwerer und senkt sich gegenüber dem mittelozeanischen Rücken ab. Fließt Wasser ein, bildet sich ein neuer Ozean.
An den Subduktionszonen wird Krustenmaterial zurück in den Mantel gebracht. Hier bewegen sich zwei Platten aufeinander zu – die schwere ozeanische Kruste taucht unter die leichtere kontinentale Kruste ab (sie wird subduziert), wird teilweise aufgeschmolzen und geht allmählich im Mantelmaterial auf. Dabei wird die kontinentale Kruste angehoben und zusammengestaucht. Dieses Zusammenstauchen oder Zusammenfalten führt zur Entstehung von Faltengebirgen. Der „Knick“ vor dem unmittelbaren Abtauchen der Platte bildet eine Tiefseerinne. Bildunterschrift Ende

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Erdbeben

Die Wanderung der Lithosphärenplatten verläuft nicht immer gleichmäßig – sie stoppt immer mal wieder, weil Platten sich ineinander „verhaken“ können oder das Magma in den Rücken nicht gleichmäßig nach oben strömt, sondern schubweise. Da die Konvektionsströme im Erdinneren aber weiter fließen und diese dann an den verhakten Platten zerren, baut sich eine Spannung auf. Irgendwann reißt diese Spannung die verhakte Platte los und mit einem Ruck setzt sie sich wieder in Bewegung. Dieser Ruck ist dann als Erdbeben spürbar. Da die Driftgeschwindigkeit im Mittel 2–20 cm pro Jahr beträgt, kann eine Platte, die einige Jahrzehnte irgendwo festhängt, nach dem Losreißen um einige Meter nach vorn schnellen. Diese abrupte Bewegung findet zum Glück nur an den Rändern statt, denn aufgrund der Dämpfung, die die Asthenosphäre ausübt, wird die Bewegung im Innern der Platte verzögert. Das führt dazu, dass sich die Verschiebungen mehrerer Beben überlagern, was dann in der Summe eine gleichmäßige Drift ergibt.
Der Ruck eines Bebens löst Wellen aus, die Erdbebenwellen, die physikalisch dasselbe sind wie Schallwellen.
Da ein Beben nur auftreten kann, wenn das Material spröde ist, sind Beben auf die Kruste begrenzt. An den Subduktionszonen können Beben in der abtauchenden Kruste auch in größeren Tiefen auftreten (bis 700 km), da es sehr lange dauert, bis die abtauchende Kruste so weich wird, dass sie ihre Sprödigkeit verliert.
Die katastrophalen Auswirkungen auf den Menschen und seine Gebäude werden von den Oberflächenwellen hervorgerufen. Diese Erdbebenwellen laufen nicht durch den Erdkörper, sondern an der Oberfläche entlang und haben die größten Amplituden.
Findet ein Beben unter dem Meer statt, kann, wenn die vertikale Auslenkung des Bodens groß genug ist (mindestens 4 m), eine Welle ausgelöst werden, die sich mit mehreren 100 km/h fortbewegt. Auf dem freien Ozean stellen diese Wellen keine Gefahr dar, da sie eine Amplitude von einigen Dezimetern bei einer Wellenlänge von mehreren 100 km haben. Geschwindigkeit, Amplitude und Wellenlänge hängen jedoch von der Wassertiefe ab – beim Auftreffen auf die Küste wird die Welle im flacheren Wasser abgebremst, die Wellenlänge verkürzt sich, dafür erhöht sich die Amplitude – und zwar auf bis zu mehrere zehn Meter und kann dann als Tsunami verheerende Zerstörungen anrichten. Ein Tsunami muss nicht zuerst mit einem Wellenberg auf die Küste treffen – es kann auch zunächst zu einem Zurückweichen des Wassers kommen.

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Vulkanismus

Vulkantypen

Wenn Magma zur Erdkruste vordringen kann, also in Rücken oder an Subduktionszonen, können sich Vulkane bilden.

Wie sich das Magma beim Vulkanausbruch benimmt – sobald es an die Erdoberfläche tritt, heißt es Lava – hängt von seinem Gasgehalt und seinem Kieselsäuregehalt ab. Das Gas erzeugt den Druck, der das Magma mehr oder weniger heftig aus dem Krater schießen lässt, die Kieselsäure macht das Magma zäh. Enthält die Lava wenig Kieselsäure, wie bei den Vulkanen auf Hawaii, fließt sie ruhig die Vulkanhänge herab. Die erkaltete Lava bildet im Laufe der Zeit eine breite, flache Kuppe, einen so genannten Schildvulkan. Zäheres Magma dagegen erstarrt leicht und verstopft den Schlot. Unter der Verstopfung stauen sich Magma und Gas, das aufgrund des in der Nähe der Erdoberfläche abnehmenden Druckes entweicht. Nun baut das austretende Gas einen Druck in der Magmakammer auf, bis das Gestein über ihr weggesprengt wird und es zu einem Ausbruch kommt. Ist die Sperre dünn, kommt es zu häufigen, aber leichten Ausbrüchen, bei denen Lavastücke, die bereits in der Luft erkalten, einige Meter hoch geschleudert werden. Nach ihrem Vorbild bei Sizilien heißen solche Vulkane Stromboli-Vulkan. Ist das Magma sehr zäh, kann der Pfropfen so dick werden und so fest sitzen, dass es Jahrhunderte dauert, bis genügend Druck da ist, um ihn wegzusprengen. Die dann folgende Explosion ist allerdings verheerend – Pompeji fiel einer solchen zum Opfer und bei der Explosion des Krakatau flog der ganze Berg in die Luft, Feuer und Vulkanasche schossen 50 km hoch. (Vulkanasche bezeichnet kleine Lavafetzen, größere heißen Lapilli und Bomben.)
Vulkane, deren Lava viel Gas und Kieselsäure enthält, neigen also zu explosivem Verhalten. Da sie dabei auch immer Lavabrocken hochschleudern, bilden sich ihre Hänge aus Schichten von Gesteinsbrocken, die von Lavaschichten bedeckt werden. Entsprechend nennt man solche Vulkane Schichtvulkane.

Abb. 4a ¦ Der Vulkan Villarica  
BildunterschriftDer Schichtvulkan Villarica in Chile im Februar 2015. Eine Woche nach der Aufnahme, am 3. März, brach er aus – da hatten wir die Gegend aber schon wieder verlassen; der Ausbruch war vom Typ Stromboli. Bildunterschrift Ende
Abb. 4b ¦ Der Vulkan Putama (Video)  
BildunterschriftDer Putama in der Atacama (Chile) raucht friedlich vor sich hin – eine Besonderheit ist der geneigte Krater, weshalb man von dieser Blickrichtung in ihn hineingucken kann. Bildunterschrift Ende
Abb. 4c ¦ Vulkan Eyjafjallajökull in Island  
BildunterschriftNicht nur der Gletscher heißt so, sondern auch der darunterliegende Vulkan, den seit April 2010, als der Ausbruch den Flugverkehr lahmlegte, wohl auch in Deutschland jeder kennt. Die Gelehrten sind sich nicht einig, um was für einen Vulkantyp es sich handelt, einige sagen, es ist ein Schildvulkan, andere halten ihn für einen Stratovulkan (Schichtvulkan). Bildunterschrift Ende

Eine Caldera ist ein Kessel, der durch den Einsturz einer Magmakammer entsteht, während der Eruption oder nachdem nach einer Entleerung die Stabilität durch das enthaltene Magma nicht mehr gegeben ist. Auf dem Grund einer Caldera kann ein neuer Vulkankegel entstehen. Dagegen ist ein Vulkankrater eine Vertiefung, die die „normale“ Austrittsöffnung für das Magma darstellt. Ein Maar schließlich entsteht durch eine vulkanische Gasexplosion.

Abb. 5a ¦ Kratersee Windsborn  
BildunterschriftEin Kratersee bildet sich, wenn ein Vulkankrater sich mit Wasser füllt. Der Windsborn liegt in der Vulkaneifel. Bildunterschrift Ende
Abb. 5b ¦ Caldera der Krafla (Island)  
BildunterschriftDie Krafla ist ein 100 km langes Vulkansystem, aber auch der zu diesem System gehörende Zentralvulkan trägt diesen Namen. Der Zentralvulkan besitzt eine Einbruchs-Caldera, die 10 km im Durchmesser misst. Die Krafla ist 200 000 Jahre alt, existierte also schon während der Eiszeit. Die bisher letzten Ausbrüche (das Krafla-Feuer) geschahen von 1975 bis 1984. Deren Ursprung lag in der Krafla-Caldera selbst, hauptsächlich am Vulkan Leirhnjúkur. Die schwarze Lava stammt von diesem jüngsten Ausbruch. Bildunterschrift Ende
Abb. 5c ¦ Weinfelder Maar  
BildunterschriftDas Weinfelder Maar in der Vulkaneifel. Wenn aufsteigendes Magma auf Grundwasser trifft oder wenn sich Risse bilden, durch die dann Oberflächenwasser zum Magma hin vordringen kann, verdampft dieses Wasser sofort. Sein Volumen vergrößert sich dabei auf das 1000-Fache, zertrümmert das umliegende Gestein und sprengt einen Krater in den Untergrund. Um diesen Krater herum bildet sich ein Wall aus den herabfallenden Gesteinstrümmern. Ist der Untergrund wasserundurchlässig, kann der Krater sich mit Wasser füllen und einen Maarsee bilden. Bildunterschrift Ende

Geysire und Fumarolen

Eine Begleiterscheinung von Vulkanen sind heiße Quellen, Geysire und Fumarolen.

Ein Geysir entsteht dann, wenn ein (oder mehrere) unterirdisches Wasserreservoir von unten durch eine nahe Magmakammer auf über 100 °C erhitzt wird. Führt von diesem Wasserreservoir ein ausreichend weiter Kanal an die Oberfläche, passiert hier das gleiche wie in einem kochenden Topf: Das heiße Wasser steigt von unten auf, kühles sinkt ab, was dazu führt, dass die Temperatur sich im ganzen Kanal angleicht – das Wasser ist überall gleich heiß. Bei Überschreiten der Siedetemperatur bilden sich deshalb überall im Kanal Dampfblasen – das Wasser kocht und verdampft. Oben tritt dann der Dampf aus (wir haben ein Dampfquelle) oder heißes Wasser, wenn der Dampf auf dem Weg nach oben wieder abkühlt und kondensiert.
Ist dieser Kanal jedoch eng, kann keine Konvektion stattfinden und es kann sich keine einheitliche Temperatur im Kanal einstellen. Unten wird das Waser überhitzt, kann aber nicht verdampfen (obwohl es die Siedetemperatur bereits überschritten hat), weil das Wasser, das im Kanal über ihm steht, einen Druck ausübt. (Da Dampf ein sehr viel größeres Volumen hat als Wasser, ist der flüssige Zustand bei hohem Druck für das Wasser gewissermaßen der bequemere Zustand – auch physikalische Systeme weichen äußeren Drücken nach Möglichkeit aus …) Da aber die Magmakammer das Wasser von unten immer weiter erhitzt, ist das Wasser irgendwann so heiß, dass sich auch gegen den Druck Dampfblasen bilden. Diese steigen nach oben und heben einen Teil der Wassersäule im Kanal an. Das angehobene Wasser drückt dann nicht mehr nach unten, der Druck auf das Wasserreservoir sinkt also rasch, das überhitzte Wasser „ergreift die Gelegenheit“ und verdampft schlagartig – der Geysir bricht aus.

Abb. 6a ¦ Geysirfeld des El Tatio  
BildunterschriftAm Fuss des Vulkankraters El Tatio in der Atacama (Chile) befindet sich ein Geothermalgebiet mit Geysiren und heißen Quellen, auf ca. 4200 m Höhe. Von 110 eruptierenden Quellen wurden mehr als 80 als echte Geysire identifiziert, davon sind über 30 andauernd aktiv. Es handelt sich um das drittgrößte Geysirfeld der Welt. Bildunterschrift Ende
Abb. 6b ¦ Geysir Strokkur in Island  
BildunterschriftDer Name „Strokkur“ bedeutet übersetzt Butterfass, den Namen hat der Geysir wegen der zylindrischen Form des Felsschlundes. Er bricht regelmäßig im Abstand weniger Minuten aus und erreicht eine Höhe von 25 bis 30 m. Bildunterschrift Ende

In einer Fumarole tritt statt heißem Wasser Dampf aus – dies geschieht, wenn das unterirdische Wasserreservoir nur wenig Wasser enthält. Entsprechend niedrig ist dann auch der Druck und das erhitzte Wasser wandelt sich vollständig in Dampf um. Eine Fumarole heißt Solfatare, wenn der Dampf auch noch Schwefelverbindungen enthält.

Abb. 6c ¦ Solfatare (Island)  
Die Solfatare Öskurhöll (im Hochtemperaturgebiet Hveravellir in Island), was auf Deutsch „Brüllender Hügel“ bedeutet (und wer ihm mal zugehört hat, weiß, warum …).

Inselvulkane

Heutige Vertreter dieser Art Vulkane sind die Hawaii-Inseln, die nichts anderes ist als der über die Meeresoberfläche ragende Teil einer mehrere 1000 km langen Kette von 107 Vulkanen, von denen noch vier aktiv sind – darunter Mauna Loa und Kilauea auf Hawaii, der größten der Inseln, am südöstlichen Ende der Kette gelegen. Je weiter weg die übrigen Vulkane von diesen beiden sind, desto älter sind sie. Der Mauna Kea schläft (der letzte Ausbruch fand vor 6000 Jahren statt, man ist aber nicht sicher, ob er wirklich erloschen ist), die weiteren Vulkane sind erloschen.
Diese Anordnung aus aktiven und erloschenen Vulkanen in einer Reihe interpretiert man heute so, dass unter den aktiven Vulkanen ein Plume liegt. Ein Plume oder Manteldiapir ist ein relativ schlanker aufwärts gerichteter Magmastrom, der sich bei Erreichen der Lithosphärengrenze pilzartig verbreitert. Solche Plumes treten auch innerhalb von Platten auf und können somit Vulkanismus erklären, der nicht an Plattenrändern auftritt.
Zurück zu den Hawaii-Vulkanen: Die Krustenplatte wandert nach Nordwesten, der Vulkan wird also über den Plume hinweggeschoben. Irgendwann bricht deshalb die Verbindung zum Magmafluss ab – der Vulkan erlischt. Erreicht wieder eine schwächere Zone der Kruste den Plume, bahnt sich das Magma einen neuen Weg durch das Gestein und der nächste Vulkan entsteht. Dies scheint auch südöstlich der Insel Hawaii zu geschehen. Hier findet sich der Lo-ihi, ein zurzeit bis knapp 1000 m unter die Meeresoberfläche ragender junger Vulkan. In einigen 10 000 Jahren wird dieser durch die Anlagerung des austretenden Magmas den Meeresspiegel erreicht haben und zur Insel werden. Im Gegenzug werden die älteren Vulkane allmählich erodiert und versinken aufgrund ihres Gewichtes im Ozeanboden, so dass sie irgendwann nicht mehr über den Meeresspiegel ragen. Die Driftgeschwindigkeit der Platte lässt sich aus der Länge der Vulkankette berechnen – sie beträgt etwa 5 cm pro Jahr.
Der Mauna Kea macht übrigens dem Mount Everest den Titel des höchsten Berges der Erde streitig – obwohl nur 4200 m über den Meeresspiegel ragen, beträgt seine Höhe von seinem Fuß aus gemessen über 10 000 m.

Abb. 5 ¦ Inselvulkanismus  
BildunterschriftVon der Grenze zwischen Mantel und Erdkern steigt heißes Material säulenförmig bis zur Kruste auf (gelb) und verbreitert sich dort pilzartig. Die Erdkruste wird außerdem angehoben – was hier nicht gezeichnet ist. Da hier oben weniger Druck auf dem heißen aufsteigenden Gestein lastet als im tieferen Erdmantel, schmilzt es und wird zu Magma. Durch Risse im Krustengestein kann das Magma an die Erdoberfläche dringen – ein Vulkankrater ist entstanden. Wandert nun die Lithosphäre über den Plume hinweg, sucht sich das Magma immer neue Austrittsöffnungen. So entstehen immer neue Vulkane, während die alten erlöschen. Bildunterschrift Ende

Yucatán oder was passieren kann, wenn sich alle Assistentinnen einig sind

Michaela, die Assistentin für alles Philosophische und Psychologische, Yoga und Wellness. Chronisch unfrisiert liebt sie alles Chaotische, Kreative und möchte deshalb natürlich Leben im Universum haben.
Luzie, die Assistentin aus dem Untergeschoss, zuständig für alles Brennbare und Explosive, ist der Untergang aller Ordnung und Symmetrie und der Ruin der Nerven ihrer Kolleginnen.
Laplacie, der Laplacesche Dämon, der als fleißiger HiWi immer für Ordnung sorgt und für den nur die Quantenmechanik schlimmer ist als das Aufeinandertreffen aller drei Kolleginnen.
Gott, der Chef, der mit unerschütterlicher Ruhe die Kolleginnen und ihre Arbeiten dahin lenkt, wo er sie hinhaben will, zu einer funktionierenden Physik und irgendwann der Entstehung von Bakterien, Quallen, Nashörnern und anderen Lebewesen.
Gabriela, die Assistentin für Naturwissenschaften. Stets exakt frisiert hält sie hochsymmetrische Zustände für den Inbegriff von Schönheit und steht der Idee, Leben und das damit verbundene Chaos im Universum entstehen zu lassen, mit Skepsis, um nicht zu sagen, tief empfundenem Abscheu gegenüber.

„Heiß genug?“ keuchte Luzie, während sie kräftig die Hitze im Innern der Erde schürte. Prüfend beobachtete sie, wie beim Zerfall einiger radioaktiver Elemente um sie herum im Erdmantel Hitze erzeugt wurde. Gabrielas Blick – sie stand allerdings oben auf der Kruste und nutzte ihren scharfen, Gesteine durchdringenden Blick – war mindestens genauso prüfend. In der Tat hatte der Erdmantel eine annehmbare Konsistenz. Oben fest, dann verformbar, dann fest, aber trotzdem irgendwie verformbar – hier stutzte Gabriela kurz, dies war ein sehr interessanter Materialzustand.
„Ja, doch, die Hitze hält den Mantel formbar. Wir erhalten damit sehr schöne Konvektionen im Gestein. Vorausgesetzt, im Kern ist genug Hitze, um den Mantel von unten zu heizen und die Konvektionen in Gang zu halten.“ Luzie grübelte eine Weile Hörner runzelnd. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. „Ach, wie auffer Herdplatte. Im Topf gibt‘s auch sone Konventionen.“
„Konvektionen. Aber ja, Ihr Beispiel stimmt. Haben Sie heute Hirnnahrung zu sich genommen? Durch die Heizung von unten wird das Mantelmaterial erhitzt. Da heißeres Material aber eine geringere Dichte hat als kälteres, steigt es nach oben. Das kältere Material dagegen sinkt ab (s. Bd. 1, S. 220f). Und so bekommen wir die Konvektionsströme. Aber zuerst müssen wir etwas entwickeln, was den Mantel von unten heizt. Es ist zwar immer noch Wärme vorhanden, die bei der Zusammenballung der Erde aus dem Gas durch die Gravitation frei wurde, aber ich hätte gern noch mehr Wärme.“
„Kein Problem. Wir brauchen einfach noch mehr radioaktives Zeug.“
Luzie krabbelte durch den Erdmantel, sprengte sich durch die Kruste, schüttelte ein wenig Krustengestein aus den Haaren und machte sich auf den Weg zu ihrer Lagerhalle.
„Stopp! Wo wollen Sie hin? Sie wollen hier doch nicht etwa unbefugt mit radioaktivem Material in meiner Testerde herumpfuschen! Im Erdkern funktioniert das nicht mit dem radioaktiven Zerfall. Wir müssen uns also dringend etwas anderes überlegen, weil sonst die Bewegungen der Krustenplatten zum Stillstand kommen. Dann stünden alle Kontinente still, keine neuen Gebirge würden aufgefaltet, die alten würden durch Erosion langsam abgetragen, alles würde schön flach und von einer gleichmäßigen Schicht Ozean bedeckt. Kein Leben an Land, keine Säugetiere ...“ Gabriela überließ sich einen Moment dieser herrlichen Vorstellung. Dann riss sie sich zusammen und unterzog die Modellerde einer genaueren Untersuchung, entnahm hier eine Probe Erdmantel, dort ein Stück Kruste und stieß endlich im äußeren Erdkern auf einen Erfolg versprechenden Ansatz.
Sowohl äußerer wie innerer Erdkern bestanden überwiegend aus Eisen, nur war es im äußeren flüssig, im inneren Kern fest. Gabriela reinigte ihre Brille vom Ruß, um genau sehen zu können, wie man dort Wärme erzeugen könnte. Und dann hatte sie es. Natürlich. Eine ihrer einfachsten Übungen. Völlig trivial. Aus dem flüssigen äußeren Kern würde sie das Material sich nach und nach am inneren Kern ablagern und dort verfestigen lassen. Dabei würde dann Schmelzwärme frei (s. S. xxx) und für die nötige Heizung des Mantels von unten sorgen. Sie setzte den Prozess umgehend in Gang. Und war hochzufrieden. (Abgesehen davon, dass damit so unsägliche Dinge wie Leben auf dem Lande bevorstanden.) Der flüssige Kern wurde nun also von unten geheizt. Wie im Wasser in einem Kochtopf auf einer Herdplatte setzte Konvektion ein – das heißere flüssige Eisen stieg von unten nach oben, kühlte dort ab, indem es die Wärme an den darüberliegenden Erdmantel abgab, sank wieder nach unten, um dann an der Grenze zum Erdkern wieder aufgeheizt zu werden und von neuem nach oben zu steigen. Das Verfestigen des äußeren Erdkerns musste nur so langsam vor sich gehen, dass die Konvektionen ein paar Milliarden Jahre anhalten konnten.
Im Erdmantel setzte nun ebenfalls eine Konvektion ein. Zwar war das Gestein des Erdmantels fest, aber auch wieder nicht so richtig. Gabriela war einigermaßen stolz auf diesen neu erfundenen Materialzustand. Durch die große Hitze und den hohen Druck war das Gestein fließfähig und verformbar. Deshalb konnten auch im Erdmantel Konvektionsströme einsetzen – heißes Material stieg auf, kaltes senkte sich herab. Am oberen Rand kühlte sich das Material so weit ab, dass es mit der darüberliegenden Kruste zusammen eine feste Lithosphärenplatte bildete. Die Lithosphärenplatte wurde bei der Konvektion in Bewegung gesetzt und so natürlich auch der zu ihr gehörende Kontinent. So dass auch hier in Erdmantel und Lithosphäre ordentliche Konvektionswalzen entstanden. Aber was war das hier jetzt?
Eine aufsteigenden Gesteinsströmung, die offenbar nicht zu einer Konvektionswalze gehörte – zunächst war sie säulenförmig, verbreiterte sich aber beim Erreichen der oberen Mantelgrenze und sah irgendwie aus wie ein Federbusch. Nun ja, diese seltsame Form legte immerhin eine wissenschaftliche Bezeichnung nahe. Da man ohnehin nur noch englisch sprach, würde sie dieses Ding „Plume“ nennen. Obwohl Manteldiapir eigentlich noch viel besser klang. Nun ja. Der Plume wölbte die darüberliegende Kruste auf. Da hier oben ein geringerer Druck herrschte als in den Tiefen des Erdmantels, schmolz das Material im Plume auf und wurde zu Magma – geschmolzenem Mantelgestein. Gabriela nahm einen erdkrustendurchdringenden Scanner, um sich einen dieser Plumes genauer anzusehen. Das Magma stieg auf und schmolz weiter. Es stieg durch Risse im Gestein nach oben. Weiter nach oben. Und noch ein bisschen weiter. Gleich würde es die Oberfläche erreicht ... Blubb. Angewidert verzog Gabriela das Gesicht und wischte sich die Magmareste vom Kittel. Missbilligend verfolgte Gabrielas Blick das nun oberirdisch in ein Tal abfließende Magma. Für eine derartige Unordnung konnte eigentlich nur eine verantwortlich sein. Misstrauisch runzelte Gabriela die Stirn und suchte die Umgebung des Plumes ab. Und sollte Recht behalten mit ihrem Verdacht. „Was tun Sie da!?“
Die Zunge zwischen den Zähnen war Luzie hochkonzentriert damit beschäftigt, ein Stück Lithosphärenplatte über solch einen Plume zu schieben. Ab und zu half sie mit ihrem Akku-Bohrer nach, wenn sie den Eindruck hatte, das Gestein sei zu fest und das Magma könne nicht hindurch gelangen. Wann immer das Magma einen Schlot fand, durch den es aus der Kruste herausfließen konnte, strahlte Luzie ihren neuen Vulkan an. Ruhig floss die Lava ab, erkaltete mit der Zeit und die Schichten verfestigter Lava türmten nach und nach Berge auf, aus denen immer wieder Lava austrat, bis Luzie die Platte zu weit geschoben hatte, der Vulkanschlot nicht mehr über dem Plume lag und das Magma sich einen neuen Ausgang suchen musste. Eine ganze Reihe von Inselvulkanen türmte sich bereits vor ihr auf, zu ihrem Leidwesen waren die alten Vulkane am Ende der Reihe allerdings erloschen. Aber sie hatte noch ein ganzes Stück Krustenplatte vor sich zum Schieben, das gab noch viele schöne neue Vulkane. „Müsste nur‘n bisschen mehr Leben rein, mehr Explosionen und so, muss man doch irgendwie hinkriegen können ...“
Dummerweise sah sie sich plötzlich der Notwendigkeit gegenüber, ihr Vorhaben zu vertagen. Diese Notwendigkeit hatte strubbelige Haare, in denen noch eine Amphibie hing, und stemmte die Arme in die Seiten.
„Was trödeln Sie hier eigentlich schon wieder herum? Ich bin bereits mit ersten Dinosauriern und Säugetierprototypen beschäftigt und Ihnen fällt nichts Besseres ein, als hier mit – mit diesem Spielkram – ihhh!“
Einer der jüngeren Vulkane fühlte sich durch Michaelas Bemerkung diskrimiert und bewarf sie mit frischer Lava. Dann spuckte er noch ein wenig Schwefelwasserstoff hinterher.
„Saurier? Säugetiere?“ Gabriela warf einen Blick in den Kalender. „Soll das heißen, Sie sind schon im Trias? Nach meinem Kalender sollten wir erst Präkambrium ...“
„Papperlapapp! Diese ganzen Weichtiere habe ich heute Morgen abgehandelt, Landpflanzen in der Mittagspause, dummerweise kam dann ein Anruf dazwischen, weshalb mir am Ende des Perm ein Missgeschick – Massensterben, all die niedlichen Wassertierchen ... schnief ... und jetzt möchte ich bitte sofort diesen ...“ Michaela blätterte in ihren Unterlagen. „Den!“ Sie hielt Gabriela einen Plan unter die Nase. Die schob das Blatt wieder auf die deutliche Sehweite zurück und studierte den Plan. „Pangäa. Sollte sich ja eigentlich schon im Perm bilden. Herrjeh, nach welcher Zeitrechnung arbeiten wir denn hier eigentlich? Macht hier jeder was er will? Nun, wenn es denn sein soll, schieben wir das jetzt ein. Wir sind ja erst bei der Generalprobe. In der endgültigen Version möchte ich aber auf etwas mehr Terminplantreue bestehen! Luzie, werte Kollegin. Das ist etwas für Sie. Schieben Sie doch mal alle Kontinente, die Sie hier so finden können, zu einem einzigen zusammen.“ Sie bedachte die Kollegin von der Sozialwissenschaft mit einem Blick, der selbst den Vulkan mit Neid erfüllte. „Aber nur, weil ich meine Plattentektonik ohnehin an einem Superkontinent testen wollte!“
Luzie schob und schob, bis Pangäa sich inmitten eines riesigen Ozeans erstreckte. „So. Unnu?“
„Nun warten wir, was passiert. Wenn meine Berechnungen stimmen, müsste jetzt zum Ende des Trias ...“
Ungeduldig begann sie mit dem Fuß zu wippen. Endlich trat ein, worauf sie wartete. Der zurzeit einzige, dafür aber entsprechend große Superkontinent Pangäa leitete die Wärme nicht so gut ab wie die Ozeanböden um ihn herum. Unter ihm staute sich die Hitze und begann, Pangäa nach oben zu wölben.
„Endlich. Wird auch Zeit – das Zeitalter des Jura hat gerade angefangen.“ Gabriela sah auf den Kalender. „Schon 200 Mio. Jahre vor der Zeitrechnung. Pangäa muss endlich ... ja, jetzt bricht sie auf. Teilt sich in einen südlichen und einen nördlichen Kontinent. Sehr schön.“
In der Tat hatte sich die aufgewölbte Kruste über dem Hitzestau inzwischen so gedehnt, dass sie riss. Unter der ausgedünnten Kruste schmolz das aufsteigende Gestein aufgrund der Druckentlastung auf, flüssiges Magma drang durch den Riss an die Oberfläche. Es erkaltete unter Gabrielas gestrengem Blick und bildete neue Kruste. An den Spalträndern brachen Blöcke der ausgedünnten Kruste ab, rutschten nach unten, wodurch sich ein Graben bildete, der sich allmählich zu einem Becken ausweitete, denn immer mehr aufsteigendes Magma drängte nach und schaffte sich Platz, indem es die ältere Kruste zur Seite schob und sich an sie anlagerte. Die ältere Kruste kühlte ab, während sie immer weiter von der Spalte weggeschoben wurde. Dadurch nahm ihre Dichte zu, sie wurde schwerer und senkte sich ab. Nur in der Mitte erhob sich nach wie vor ein Gebirgszug aus frischem Gestein, in dessen Zentrum sich der Grabenbruch entlangzog, aus dem das Magma an die Oberfläche quoll.
Es rauschte und quiekte – das Rauschen kam vom Wasser des Thetysmeeres, das nun in das neu entstandene Becken einströmte, das Quieken kam von Michaela, die, vom Wassereinbruch mitgerissen, vorbeitrieb.
„Sollen wir sie retten?“ Luzie sah der Kollegin nach und zündete sich erst mal eine Zigarette am rechten Horn an. Gabriela sah über ihren Brillenrand. „Sie hat das Seepferdchen. Kümmern wir uns lieber um den Atlantik.“
„Wo soll‘n der hin?“ Luzie wischte sich Ruß und Asche aus dem Gesicht. „Hallo, Chef. Lange nich gesehen. Hamse welche gefunden?“
„Wie? Oh ja, es gibt bereits einige Säugetiere. Was menschenähnliches habe ich noch nicht entdeckt. Ist alles mehr so Kleinzeug. Und diese anderen, äh, die Dinos gibt es auch schon. Nur ist mir jetzt die Kollegin Michaela abhanden gekommen – wir wollten uns eigentlich auf die Landlebewesen konzentrieren, sie scheint sich aber doch mit den Meeresbewohnern beschäftigen zu wollen.“ Nachdenklich beobachtete er die kreischende und strampelnde Michaela draußen im urzeitlichen, sich ständig aufweitenden Thetysgraben. Dem Strampeln fielen unzählige Meeresbewohner zum Opfer, Unmengen von kalkhaltigen Schalen unglückseliger Urtiere sanken zu Boden und bildeten dort Sedimentschichten. (Wofür alpine Kletterer einmal dankbar gewesen wären, aber die waren auf der Modellerde nicht vorgesehen.) „Sagen Sie, was frisst der da so gewöhnlich?“
Gott deutete auf einen etwa 15 m langen Ichthyosaurier, der auf Michaela zuschwamm.
„Keine Ahnung, Chef.“ Luzie klopfte die Asche von ihrer Zigarette ab. „Aber bei den Zähnen ...“
„Sie meinen also auch, ich sollte etwas unternehmen, um die Kollegin zu retten? Na dann, bis später.“
„Wenn wir jetzt bitte zur Sache kommen könnten, das Zeitalter des Jura nähert sich dem Ende. Das Thetysmeer können wir jetzt erst mal so lassen. Die ständige Krustenneubildung sorgt für eine Ausweitung des Ozeanbeckens. Während der frische Ozeanboden abkühlt, wird er schwerer und senkt sich ab. Sehr schön. Wir müssen jetzt aber dringend die Trennung von Südamerika und Afrika einleiten, die steht schließlich für das Ende der Kreidezeit auf dem Plan – wenn Sie dann bitte mal ..“ Gabriela studierte ihren Bauplan. „Wenn Sie dann bitte genau hier heizen würden – nein etwas weiter westlich, ja dort.“
Luzie heizte auf Teufel komm raus, bis sich auch hier ein Grabenbruch bildete, der die beiden Kontinente Südamerika und Afrika trennte, mit einem Rücken im Zentrum. Dieser wurde zum mittelatlantischen Rücken, als das Ozeanwasser in das frische Atlantikbecken eingeflossen war. Aus dem mittelatlantischen Rücken floss ständig heißes Magma nach und bildete frischen Ozeanboden, während Südamerika und Afrika auseinander drifteten und der Atlantik sich ausweitete.
„Aufhören! Sofort aufhören!“ rief Gabriela plötzlich.
„Hä? Wieso?“ Rußig und rauchig tauchte Luzie aus dem Erdmantel auf. „Läuft doch gerade alles prima!“
„Nichts läuft hier prima – sehen Sie doch!“ Entnervt zeigte Gabriela auf den Westrand Südamerikas, an dem sich der Kontinentrand zusammengeschoben und aufgefaltet hatte, als er bei seiner Westwärts-Drift gegen den alten Ozeanboden des Pazifik gestoßen war.
„Was hamse denn? Sieht doch cool aus!“
„Cool? Sie finden diese unordentlichen Falten cool?“
„Ja woll‘nse denn jetzt‘n Bügeleisen holen, um Ihren Kontinent wieder glatt zu machen?“
Das war in der Tat das, was Gabriela am liebsten gemacht hätte. Aber ihr naturwissenschaftlicher Verstand sah natürlich sofort, dass es mit Bügeln allein nicht getan war. Schließlich wurde in der Mitte des Atlantiks ständig neue Kruste gebildet. Da der Umfang der Erde aber nicht zunahm, musste das ja Falten geben. Trotzdem durfte das nicht überhand nehmen. Sonst gäbe es bald nur noch Falten. „Helfen Sie mir mal!“
Gabriela rannte hinüber zur Westküste Südamerikas, buddelte sich durch die Kruste, stemmte sich in den Erdmantel und packte den Rand des Ozeanbodens. Luzie schlurfte hinterher.
„Wo bleiben Sie denn? Hier – ziehen Sie mal dort!“
Gemeinsam zogen sie den Rand des Ozeanbodens nach unten, bis der unter Südamerika in den Erdmantel abtauchte und dort in der Hitze schmolz und Teil des Erdmantels wurde.
Luzie war einen Moment nicht ganz bei der Sache, sie betrachtete die nach unten gebogene Platte und kratzte sich die Hörner. Ihr Plattenende verhakte sich deshalb. Gabriela zog und zerrte mit aller Kraft. „Nun machen Sie schon! Ziehen Sie!“ schrie sie der geistesabwesenden Kollegin zu. Da löste sich der verhakte Plattenteil und rutschte nach unten. Ein Stoß ging durch die Kruste. Gabriela und Luzie fielen auf den Hosenboden, rutschten den abtauchenden Plattenteil hinab in den Erdmantel, mehrere Brontosaurier fielen auf die Nase und Gott plumpste ins Wasser, da er gerade auf einem Felsen Ausschau nach Michaela gehalten hatte. Die wurde anschließend von einem Tsunami an ein fernes, einsames Land gespült.
„Oh.“ Luzie stand auf, klopfte sich das Magma vom Hosenboden und erinnerte sich wieder an ihre Aufgabe. Und zog wie befohlen weiter. Jetzt verschwand hier soviel Ozeanboden durch Aufschmelzen im Erdmantel, wie im Atlantik neu gebildet wurde. Gabrielas Zufriedenheit hielt jedoch nicht lange an – denn nach wie vor faltete sich der Westrand Südamerikas auf. Die abtauchende Platte schob die darüberliegende zusammen und türmte Gebirge auf.
Gabriela versuchte, die Berge allein durch ihren Blick zu zerstören, aber die zeigten sich mehr oder weniger unbeeindruckt und hoben sich immer weiter. Zwar trugen Wind und Regen durch Verwitterung und Erosion auch ständig einiges Gestein ab, das änderte aber nichts daran, dass sich hier ein Faltengebirge bildete und dass es wachsen würde, so lange das, was später einmal Pazifik heißen würde, unter den Rand von Südamerika abtauchte und die Kontinentalplatte zusammenstauchte. Gabriela wagte kaum daran zu denken, dass sich ähnliches auch am Westrand des Nordamerikanischen Kontinents abspielen würde.
Und es sollte noch schlimmer kommen.
„Ah – die Anden! Sehr schön haben Sie das gemacht!“ Gott kam von der Küste herbei gestapft, die nasse Michaela im Schlepptau und betrachtete bewundernd das junge Gebirge. „Meine Liebe, Sie tropfen – Sie sollten sich ein Handtuch besorgen“, wandte er sich dann an Michaela, die heftig niesen musste. „Oh, jetzt bitte keine Krankheitskeime verbreiten – wir wollen doch kein Massensterben auslösen. Die Dinos sind gerade so schön in Fahrt. Wir sind ja auch schon mitten in der Kreidezeit, nicht wahr?“ Gott warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich habe da mal was ausprobiert, in der Verteilung der Ströme im Erdinneren. Das Thetysmeer schließt sich jetzt allmählich, dieses kleine Stück hier ...“, er hob Indien kurz an, „... und Afrika wandern jetzt nach Norden. Thetys wird dabei verschluckt – ja, ich weiß, Sie haben einen sehr schönen, sehr wissenschaftlichen Begriff dafür – und, jetzt kommt‘s, dabei entstehen die Alpen! Die kalkhaltigen Sedimente des Thetysmeeres werden zu den Kalkalpen aufgefaltet. Skiurlaub in den Dolomiten! Wär das nicht was? Und was Indien angeht ... Upps, Vorsicht!“
Eine Triceratopsherde donnerte vorbei und Michaela sprang Gott auf den Arm.
„S..sind d...die nicht etwas zu dominant?“ bibberte Michaela. „S...sollten es nicht weniger Saurier und m...mehr S...säugetiere werden?“
Als ein Brontosaurus sich näherte, sprang sie in eine Konifere. Um gleich darauf wieder herunterzuplumpsen, denn der Saurier fing an, just diesen Baum abzufressen.
„Also ich find die cool“, stellte Luzie fest. „Sie müssten jetzt nur noch Feuer spucken können. Aber da das wahrscheinlich wieder keiner will, hab ich mir was anderes überlegt.“
„Neinein, das ist wirklich nicht ...“
Gottes Einspruch kam zu spät, die Kollegin war bereits in die Subduktionszone abgetaucht. Dort sorgte sie dafür, dass einige Bestandteile der abtauchenden Plattenränder – nämlich die, die bei den hier herrschenden Temperaturen dünnflüssig sind – einen Weg nach oben fanden. Das Magma stieg brav wie von ihm verlangt in einem Spalt nach oben durch die Anden, löste dabei ein wenig dies und das auf – unter anderem Kieselsäure – und sammelte sich schließlich in einer riesigen Höhle an. Da das Magma aus dem abgetauchten Ozeanboden stammte, enthielt es relativ viel Wasser. Und da in der Magmakammer, in der es sich nun befand, ein viel geringerer Druck herrschte als im Erdmantel, gasten der Wasserdampf und auch andere Gase aus. Von unten strömte aber immer weiter Magma nach. Schließlich war der Druck von Magma und Gas auf das umgebende Gestein so groß, dass das Magma sich einen Weg an die Oberfläche bahnte. Luzie schwamm in einer der aufsteigenden Magmasäulen mit nach oben und winkte aus dem frisch entstandenen Vulkan ihren KollegInnen zu. „Super, was?“ Stolz betrachtete sie die abfließende Lava, die auch hier nach dem Erkalten einen Kegel auftürmte. „Hm. Ist aber ziemlich zäh, das Zeug hier.“
„Das, verehrte Kollegin, macht die gelöste Kieselsäure. Sie ...“
„Heh, was soll‘n das? Mein Vulkan ist verstopft! Ich brauch mal‘n Pümpel!“
Luzie bückte sich, um sich an dem verstopften Krater zu schaffen zu machen.
„Ähm, vielleicht sollten wir ein wenig Sicherheitsabstand ...“ Gott zupfte an den Gewändern der Kolleginnen. Michaela folgte ihm bereitwillig, Gabrielas Forscherdrang war jedoch größer als ihr Sicherheitsbedürfnis. Unter dem Magmapfropfen, der den Schlot verstopfte, sammelte sich derweil Gas in der Magmakammer. Der Druck wurde größer und größer und größer ...
Luzie landete irgendwo weit draußen im Pazifik, Gott und Michaela spannten Regenschirme auf, um sich vor den herumfliegenden Lavabrocken zu schützen, Michaela setzte noch eine Gasmaske auf.
„Ojeh, das wird der Kollegin aber nicht gefallen.“ Gott beobachtete unter seinem Schirm, wie die Spitze des Vulkans in sich zusammenstürzte und einen ziemlich runden Krater, eine Caldera, bildete. Nach dem Leeren der Magmakammer fehlte die Tragfähigkeit des Untergrundes und die Decke der Kammer hatte nachgegeben.
„Heh!“ Dampfend kam Luzie aus dem Pazifik gestapft. „Wer hat meinen Vulkan kaputt gemacht? Den bau ich wieder auf!“ Sprach‘s und hüpfte in den Schlot, wo sie so lange Magma in die Magmakammer schob, bis sich wieder genügend Druck aufgebaut hatte, dass sich das Magma im Zentrum der Caldera wieder an die Oberfläche kämpfte, in einer Fontäne hoch spritzte und sich ein neuer Vulkankegel bildete.
Gott beschloss, dass er nun genug zu Vulkanen gesehen hatte und sich seinen anderen Projekten zuwenden konnte.
„Säugetiere – ja, das läuft noch nicht so richtig, ich werde mir wohl mal ein Förderprogramm für benachteiligte Minderheiten ausdenken müssen.“
Gabrielas Laune war auf dem Tiefpunkt. Sie ließ sich von Laplacie aus ihrer Hülle erkalteter Lava herausmeißeln und grummelte vor sich hin. Was es mit Indien und seiner Kollision mit den Landmassen Asiens auf sich haben würde, hatte sie schon bemerkt. Falten in der Erdkruste, Saurier und jetzt auch noch Vulkane. Und gleich nach dem Urknall war alles so schön gewesen. So ordentlich.
„Also ich möchte doch noch einmal für das Modell ganz ohne Lebewesen plädieren“, versuchte sie, den letzten Rest Ordnung zu retten, aber so richtig hörte niemand zu. Michaela war auf der Flucht vor zwei Triceratops‘, Luzie war auf der Suche nach geeigneten Vulkanstandorten, und Gott suchte sich einen Baum, in dessen Schatten er nachdenken konnte.
Unter dem genoss er dann dösend das warme kreidezeitliche Klima, bis ihn etwas am Fuß kitzelte.
„Luzie, wenn Sie das sind – ich denke gerade sehr intensiv und bin nicht zu sprechen.“
Der Störenfried erwies sich als ungewöhnlich hartnäckig. Schließlich öffnete Gott die Augen.
Es war nicht Luzie.
Es war ein großer, hässlicher Dinosaurier, der auf zwei kräftigen Hinterbeinen stand, mit winzigen Vorderbeinen Gottes Picknickkorb durchwühlte und dabei gelegentlich eine Hundertschaft langer, spitzer Zähne fletschte.
„Hallo, könntest du etwas leiser sein? Ich denke.“
Der Dino fauchte nur, schnappte sich Gottes Picknickkorb und rannte davon. „Heh, der gehört mir!“ protestierte Gott, beschloss aber, dass eine Verfolgungsjagd in diesem warmen kreidezeitlichen Klima viel zu anstrengend sei, und schloss die Augen wieder. Um sie gleich wieder zu öffnen, denn nun heischte Michaela seine ganze Aufmerksamkeit. „Wie können Sie das arme Tier so anbrüllen, Chef? Der tut doch keinem was, der will doch nur spielen!“
„Ach? Da muss ich wohl noch mal ein Buch über Verhaltensforschung lesen. Und der da? Was will der?“
Ein zweiter Saurier trampelte herbei, schnüffelte herum auf der Suche nach einem zweiten Picknickkorb und schnappte sich in Ermangelung eines solchen die Kollegin.
„Aber meine Liebe, kreischen Sie doch nicht so. Das verschreckt das arme Tier doch. So, nun ist es aber gut, lass sie fallen.“
Der Saurier runzelte missmutig die Stirn, aber als Gott mit dem Finger drohte, ließ er Michaela gehorsam fallen und suchte seinen Kollegen, um dem den Korb abzujagen. Wie der Blitz war Michaela auf dem nächsten Baum. Sie lugte zwischen den Zweigen hindurch.
„I...ist e...er w...w...weg?“ flüsterte sie.
Vorsichtig um sich spähend begann Michaela, ihr sicheres Versteck zu verlassen. Und konnte sich in letzter Sekunde vor den zuschnappenden Kiefern eines anderen tyrannischen Sauriers wieder auf den Baum retten.
„Meine Liebe – Sie dürfen nur keine Angst zeigen, sehen Sie?“
In aller Seelenruhe schlief Gott wieder ein.
Dramatische Szenen spielten sich inzwischen an den Rändern des Ozeans ab. Luzie hatte ein paar sehr schöne Vulkane gebastelt, und als sie die verheerenden Folgen sah, die ein Vulkanausbruch auf Lebewesen haben konnte, war auch Gabriela halbwegs versöhnt. Soweit war alles bestens. Bis der erste tyrannische Saurier auftauchte und das Maßband stahl, mit dem Gabriela die Entwicklung des Ozeanbeckens kontrollierte. Zu diesem Zeitpunkt fand Luzie die Kreatur noch „echt cool“, vor allem beim Anblick der zeternden Gabriela, die das Untier wutentbrannt und völlig erfolglos verfolgte.
Der nächste Tyrannosaurus stahl dann Luzies Feuerzeug. Das fand sie schon nicht mehr so witzig.
Gabriela hätte sich ihre hämische Schadenfreude besser erspart, denn ein weiterer T. Rex nutzte ihre Unaufmerksamkeit und stahl ihr Thermometer.
Die Saurier wurden immer dreister, offenbar waren sie der Meinung, es sei recht unterhaltsam, Engel und Teufel hinter sich herrennen zu lassen. Als sie alles gestohlen hatten, was es zu stehlen gab, schnappten sie nur so zum Spaß nach Luzies Hörnern und Gabrielas Haarknoten, aus dem wie üblich kein Haar herausragte. Als es einem der Saurier gelang, diese Frisur, Gabrielas ganzen Stolz, völlig, aber auch wirklich vollständig zu ruinieren, war der Bogen überspannt.
„Es reicht!!!“ kreischte Gabriela.
„Es reicht!!!“ fauchte Luzie und entriss einem T. Rex ihre Hörner.
„E...e..es re...reicht“, bibberte Michaela in ihrem Baum.
In seltener, ach was, einzigartiger Einmütigkeit sahen sie sich an.
„Schläft der Chef noch?“ raunte Luzie.
Michaela lugte nach unten und nickte dann.
„Gut. Wir brauchen ...“ Gabriela klappte ihr Reservelaptop auf, machte ein paar Simulationen und erläuterte dann ihren Plan. „Telefonieren müssen Sie, mein Handy ist weg.“
Es dauerte eine Weile, bis Michaela ihre Stimme unter Kontrolle hatte, dann rief sie Laplacie an. Der kam angeflitzt und lauschte dann aufmerksam Gabrielas Anweisungen, die er nach einigem Hin und her auch verstand.
Dann warteten sie, ein Racheengel, ein Racheteufel und ein in einem Baum versteckter Engel.
Sie brauchten nicht lange zu warten. Es gab einen Knall, der Boden bebte, eine Wolke aus Asche und Staub stieg in den Himmel und verteilte sich über die ganze Atmosphäre.
„Was war denn das?“ Gott rappelte sich auf und suchte eine Taschenlampe. „Hm. Ist ja auf einmal so dunkel geworden. Und so kalt. Hm, hm. Und überhaupt – ist das da UV-Strahlung? Ja, wo ist denn unsere Ozonschicht hin?“ Gott musterte die Atmosphäre. „Ist irgendwas passiert?“
„Meteoriteneinschlag auf Yucatán“, erklärte Gabriela mit ausdruckslosem Gesicht.
„Hm, hm. Sie sehen etwas derangiert aus, Verehrteste. Wo sind denn unsere putzigen Freunde? Sie wissen schon, die mit dem ausgeprägten Spieltrieb?“
„Ausgestorben.“ Gabrielas war ganz professionelle Sachlichkeit und wischte sich den Schnee vom Ärmel.
„Ausgestorben.“ Luzie rieb sich befriedigt (und vor Kälte) die Hände.
„Ausgestorben.“ Michaela zitterte jetzt vor Erleichterung (und vor Kälte).
„Ach? Das ist ja schade. Als ich über ein Förderprogramm für die benachteiligten Säugetiere sprach, hatte ich eigentlich eine nicht ganz so radikale Lösung im Kopf. Nun ja.“ Langsam wurde es wieder etwas heller. Und wärmer. In Strömen floss Schmelzwasser um ihre Füße. Gott spannte einen Schirm auf, denn es begann zu regnen. „Nicht dass Ihr Asteroid alles Leben auf einen Schlag ausgelöscht hat. Wäre ärgerlich, wenn wir ganz von vorn beginnen müssten. Ich geh das mal lieber kontrollieren und retten, was zu retten ist. Haben wir dafür ein Konzept? So eine Art Archenkonzept?“ Gott marschierte in den Wald oder vielmehr in das, was davon übrig geblieben war.
Luzie fing einen Tropfen auf und war begeistert. „Schwefelsäure! Cool! Ich dachte, das sollte nur die Venus kriegen!“
„Schwefelsäure?“ Hastig packte Michaela sich in einen hermetisch abgeriegelten Sicherheitsanzug.
„Nicht nur.“ Gabriela führte eine vollständige Analyse des Regenwassers durch. „Durchaus auch Salpetersäure. Bitte bleiben Sie korrekt in Ihren Aussagen. Und – ah ja. Das ist gut. Das saure Wasser wird demnächst das Plankton in den Meeren aussterben lassen – sehen Sie! Jetzt ist es weg. Sehr schön. Diese organische Verunreinigung des Wassers hat mich schon immer gestört.“
„Sie mitleidlose Kreatur!“ kam es gedämpft aus Michaelas Schutzanzug. „Wie sollen denn jetzt die Fische überleben?“
„Natürlich gar nicht“, erklärte Gabriela gönnerhaft. „Darum ging es doch.“
„Nein – darum ging es nicht! Es ging nur um diese ekelhaften Bestien! Sie mit Ihrer lebensfeindlichen Einstellung!“ Vor Zorn wurde es Michaela so warm, dass sie ihren Schutzanzug auszog. Das nützte nur nichts, ihr war immer noch zu warm. Auch Luzie entledigte sich probeweise des äußeren Paars Handschuhe. „Wird wärmer, oder?“
„Natürlich wird es wärmer.“ Gabriela würde sich nie an den mangelnden naturwissenschaftlichen Sachverstand ihrer Kolleginnen gewöhnen. „Ohne Plankton nimmt das Meer kein Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, sondern gibt im Gegenteil noch welches ab. Wenn aber der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre steigt, wird es wärmer.“
„Kohlendioxid? Treibhauseffekt? Wie konnten Sie nur! Das ist gegen alle Klimakonventionen!“ Michaela plante die erste Umweltschutzbewegung der Erdgeschichte, während ihr der Schweiß in Strömen herunter lief. Auch Luzie fühlte sich inzwischen ohne Thermohose wohl.
„Ich weiß wirklich nicht, was Sie schon wieder haben! Sie waren es doch, die die Saurier loswerden wollte! Und sind die vielleicht noch da?“
Gabriela wies um sich. Inzwischen waren die Dinos, die nicht in der Kälte verhungert waren, in der trockenen Hitze verdurstet. In der Tat war weit und breit keiner mehr zu sehen.
Stattdessen lugte ein 50 cm hohes Urpferd aus dem trockenen Gebüsch.
„Sehen Sie, was ich gefunden habe – ein Säugetier!“ Hinter dem Urpferd trat Gott hervor. „Das ist doch genau das, was wir wollten. Freie Bahn für die Säuger. Das da sieht zwar noch nicht aus wie ein Mensch, aber daraus kann man bestimmt was anderes machen. Vielleicht so mit Streifen ...“ Er skizzierte ein Zebra. „Aber das können wir ja in Ruhe angehen. Wir haben ja noch die ganzen Zeitalter des Tertiär und Quartär für Säugetierentwicklungen. Bis zur Serienreife des Menschen sind wir dann vielleicht so zu Beginn des Quartärs. In gut 60 Mio. Jahren. Aber jetzt kommt erst mal das Tertiär.“
Gott riss das Kalenderblatt mit der Aufschrift „Kreide“ ab, worauf die Aufschrift „Tertiär“ erschien. „Wir sollten jetzt nur dafür sorgen, dass sich das Plankton wieder ausbreitet, damit es wieder etwas kühler wird. Die Hitze ist doch sehr belastend für den Kreislauf.“
Gott wanderte mit einem Eimer passenden Planktons zum Meer, Michaela schwitzte stumm vor sich hin, Luzie flüchtete vor der zu erwartenden Abkühlung in den nächstgelegenen Vulkan und Gabriela hörte mit Entsetzen die Erwähnung der Menschen. Sie kam zu der Erkenntnis, dass noch weitere Naturkatastrophen erforderlich sein würden und begann, Pläne für eine Eiszeit zu entwickeln.
(Laplacie hatte sich auf den Nordrand Indiens zurückgezogen. Er hatte einen Spezialauftrag von Michaela und hockte nun mit einem Maßband am Fuß des sich bei der Kollision Indiens mit Asien auffaltenden Himalaja und wartete, welcher Berg der höchste werden würde. Nach einigen Jahrmillionen brach er die Warterei erbost ab und kehrte schneebedeckt und bibbernd zurück. „Die können alle meinen Namen nich richtig aussprechen. Ich heiß doch nich Yeti!“)

© Wiebke Salzmann, Juni 2009

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