freie Lektorin und Autorin
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In Mecklenburg-Vorpommern stolpert man auf Schritt und Tritt über Hinterlassenschaften der letzten Eiszeit(en). (Im Fall von Findlingen kann das sogar im Wortsinne passieren.)
Durchbruchstäler entstehen, wenn Flüsse Gebirge durchschneiden. Bei den Durchbruchstälern der Warnow, der Nebel und der Mildenitz sind es Endmoränenwälle, die von Schmelzwassern der Gletscher der letzten Eiszeit durchbrochen wurden. So entstanden steile Ufer.
Warnowdurchbruch
Als die Gletscher nach der Weichsel-Eiszeit abschmolzen, bahnte sich das Schmelzwasser von Norden kommend in der Nähe des heutigen Groß Görnow seinen Weg durch die Endmoräne und floss nach Südwesten ab. Später schnitt die Warnow das Tal tief aus; die Fließrichtung verlief nun nach Nordosten, denn die Ablagerungen durch das Schmelzwasser hatten das Gefälle verändert.
Mildenitzdurchbruch
Auch das Mildenitz-Durchbruchstal entstand nach der Weichsel-Eiszeit.
Nebeldurchbruchstal
Die Nebel mündet in den südlichen Teil des Krakower Sees und verlässt den nördlichen Teil in nordöstlicher Richtung. Danach durchquert sie die Endmoränen der Weichsel-Eiszeit, wobei sich Abschnitte mit starkem Gefälle mit flach abfallenden Niedermooren abwechseln. Schmelzwasser der Eiszeitgletscher formte die Rinne des Nebeltals, Toteisblöcke schufen nach ihrem Abschmelzen Seen aus Schmelzwasser, aus denen die heutigen Moore, aber auch der Krakower See entstanden. Durch das Abtauen der Gletscher stieg der Grundwasserspiegel. Das Grundwasser speiste die Seen, sodass auch deren Wasserspiegel anstiegen. Schließlich lief der Krakower See regelrecht über und die Nebel entstand.
Müritz
Die mecklenburgische Seenplatte entstand vor 12 000 Jahren in den Sandern und Urstromtälern der Weichsel-Eiszeit. Sie wird nach Norden von der Hauptendmoräne des Pommerschen Stadiums der Weichsel-Eiszeit begrenzt. Ursprünglich war die gesamte Seenplatte ein einziger großer See, der zwischen dem Pommerschen (vor 17 600 Jahren) und dem Frankfurter (vor 22 300 Jahren) Stadium der letzten Eiszeit entstanden war. Sandablagerungen des Schmelzwassers bildeten große Sander – heute noch am teilweise sehr sandigen Boden zu erkennen. (Es gibt bei Waren auch Binnenlanddünen, aber die haben wir nicht so richtig entdecken können.) In den Schmelzwasserrinnen bildeten sich Eisstauseen, aus denen sich auch die Müritz bildete.
Tollensesee
Der Tollensesee entstand während der Weichsel-Eiszeit und ist ein typischer Zungenbeckensee. Der See ist eine Kryptodepression: Eine Depression ist ein Gebiet auf dem Festland, das tiefer liegt als der Meeresspiegel. Und „kryptos“ bedeutet verborgen. Was die Depression verbirgt, ist das Wasser des Sees.
Eiszeitgletscher haben das Becken des Sees bis unter den Meeresspiegel ausgeschürft, nämlich etwa 15 m. Der See ist 31 m tief, sein Wasserspiegel liegt also über dem Meeresspiegel.
Sölle
Sölle sind Kleingewässer, die meist kreisrund oder oval sind. Sie sind aus eiszeitlichen Toteislöchern entstanden, typischerweise in Grundmoränen. In der Regel haben sie weder Zu- noch Abfluss und können im Sommer daher auch trocken fallen. Mecklenburg-Vorpommern ist geradezu gesprenkelt von Söllen. Sie fallen auch von der Straße her sofort auf – wann immer mitten in einem Acker ein Gebüsch oder einige Bäume stehen, um die die Traktorspuren mehr oder weniger exakt kreisförmig verlaufen, hat man ein Soll vor sich.
Ribnitzer Großes Moor
Das Ribnitzer Große Moor entstand nach der letzten Eiszeit aus einem Toteisloch.
Die Peene fließt in ihrem Unterlauf durch ein Urstromtal aus der Weichseleiszeit. Sie mündet bei Anklam in den Peenestrom, der einer der drei Mündungsarme der Oder ist. Die Peene hat ein extrem geringes Gefälle, was dazu führen kann, dass bei Oderhochwasser Wasser der Oder peeneaufwärts fließt. Es kann dann sogar über die Wasserscheide in die Recknitz fließen und die Ostsee hinter Ribnitz-Damgarten und Barth westlich von Rügen erreichen.
Das Peenetal ist ein ausgedehntes Niedermoorgebiet.
Auch die Ostsee ist eine Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit. Während der Eiszeit war so viel Wasser im Eis gebunden, dass die Nordsee trocken lag; das Gebiet der Ostsee lag unter dem Eispanzer. Nach dem Abschmelzen der Gletscher vor 12 000 Jahren bildete sich die Ostsee. Das ging über mehrere Phasen, während derer der Meeresspiegel stieg, sich aber auch das Land hob (letzteres, weil die Last des Eises verschwand). Es begann mit dem Baltischen Eisstausee, der sich nordöstlich von Stockholm bildete. 2000 Jahre später stieg der Meeresspiegel so stark, dass sich im Bereich der mittelschwedischen Seenplatte eine Verbindung zum Ozean bildete und aus dem Süßwassersee das salzige Yodiameer wurde. Vor 9000 bis 7000 Jahren hob sich das Land wegen der Entlastung durch die Eisschmelze so stark, dass die Verbindung zum Ozean wieder blockiert wurde. Wiederum entstand ein Süßwassersee, der Ancylussee. Danach stieg der Meeresspiegel so weit an, dass die Landbrücke zwischen Schweden und Dänemark überflutet wurde. Etwa um Christi Geburt hatte die Ostsee dann im Wesentlichen ihre heutige Form. Nach Verschwinden des Eispanzers hob (und hebt) sich Skandinavien weiter, im Gegenzug senkte sich die südliche Ostseeküste und wurde überflutet. Dabei wurden die Küstenlinien natürlich neu geformt – ein Ergebnis davon sind die Bodden- und Ausgleichsküsten in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein Bodden ist ein Küstengewässer, das durch Landzungen vom offenen Meer abgetrennt ist. Lediglich schmale Meeresarme verbinden einen Bodden mit der See, weshalb der Wasseraustausch mit dem Meer gering ist. Da andererseits aber durch Bäche und Flüsse Süßwasser in die Bodden einströmt, haben sie einen geringeren Salzgehalt als das Meer.
Entstanden sind die Bodden, als die Ostsee nach der Eiszeit die Grundmoränenlandschaft überschwemmte. Anschließend lagen die tieferen Bereiche unter Wasser, Moränenrücken sahen heraus.
Durch Wind und Wasser entstand aus den Buchten und Inseln im Laufe der Zeit eine so genannte Ausgleichsküste, also eine halbwegs geradlinig verlaufende Küstenlinie. Sand und Kies wurden (und werden) stetig abgetragen, wobei Steilküsten entstehen, und an anderer Stelle wieder angelagert, wobei Nehrungen als schmale Landverbindungen zwischen den Inseln entstehen. Insgesamt sorgt dies für eine „Uferbegradigung“.
Fischland-Darß-Zingst
Rostocker Heide
Die Rostocker Heide ist ein Waldgebiet östlich von Rostock, das direkt an der Küste liegt. Auch am Strand der Rostocker Heide sieht man das Wirken von Wind und Wasser. Jede Sturmflut „frischt“ die Steilküste auf, indem sie Material abreißt, wobei dann auch die Bäume zu den Leidtragenden gehören. (Der Wald steht hier bis an den Rand der Steilküste).
Und auch am Strand begegnet man wieder der Eiszeit – die hier herumliegenden Kieselsteine sind ebenfalls mit den Gletschern hierhergelangt. Deshalb findet man so viele verschiedene Steine – Kalkstein, Granit, Sandstein … In Kalk- oder Sandstein kann man mit etwas Glück auch Fossilien finden, auf der Seite Erdzeitalter sehen Sie ein paar Beispiele.
Das Hütelmoor (auch Hüttelmoor) liegt in der Rostocker Heide direkt hinter den Dünen. Bei starkem Hochwasser werden die Dünen stellenweise abgetragen und Ostseewasser ins Moor gespült. Deshalb ist das Hütelmoor ein sogenanntes Küstenüberflutungsmoor.
Um die Entstehung Rügens zu beschreiben, muss man weiter ausholen als bis zur letzten Eiszeit, nämlich bis in die Oberkreide, also in die Zeit von vor über 70 Millionen Jahren. Damals erstreckte sich hier ein flaches Meer von England bis zum Kaspischen Meer. Die Kalkschalen der abgestorbenen Meereslebewesen sanken auf den Meeresgrund und bildeten eine 500 m mächtige Kreideschicht. In die Kreide eingelagert sind Schichten aus Feuerstein. Der entstand aus Kieselsäure aus zersetzten Resten von Kieselalgen. Im Feuerstein finden sich häufig Fossilien aus der Kreidezeit.
Gegen Ende der Kreidezeit, zu Beginn des Tertiär, weicht das Meer zurück und es konnten die Nadelwälder wachsen, deren Harz man heute als Bernstein an den Stränden der Ostsee finden kann. (Fotos von Fossilien in Feuerstein und von Bernstein hier: Erdzeitalter)
„In Form gebracht“ wird Rügen dann aber erst von den Eiszeiten, vor allem von der letzten, der Weichsel-Eiszeit. Die Kreideplatten werden vom vorrückenden Eis gestaucht und aufgewölbt, Geschiebe aus Skandinavien wurde von den Gletschern abgelagert. Nachdem das Eis abgeschmolzen war, begannen Wind und Wasser ihr Werk.
Die Kreideküste wird oft als Kreidefelsen bezeichnet – aber um feste Felsen handelt es sich hier nicht. Kreide ist ein nur wenig verfestigtes Sedimentgestein, weshalb es an der Kreideküste immer wieder zu Abbrüchen kommt. Es ist deshalb nicht ungefährlich, besonders nach langen Regenperioden, am Strand unter den Kreidehängen spazieren zu gehen.
© Wiebke Salzmann, Oktober 2012